Fridas Geburtsgeschichte
Als ich mit meiner Tochter schwanger war und nun schon die 40 SSW erreicht hatte wurde ich langsam ungeduldig. Von da an war ich jeden Tag bei meinem Frauenarzt zur Kontrolle und zum CTG schreiben. Während ich auf der Liege, angeschlossen an den Wehenschreiber in der Frauenarztpraxis lag und den Herztönen meiner kleinen Bauchbewohnerin lauschte, war auf dem Gerät wieder einmal keine einzige Wehe zu sehen. Tage zuvor hatte ich hin und wieder ein leichtes Ziehen in den hinteren Rückenbereich gespürt aber heute nichts dergleichen. Am Tresen dann sehr ernüchternd von der Arzthelferin der Kommentar: „Also heute wird sie wohl nicht kommen.“ Gut dachte ich, dann werde ich wahrscheinlich dieses Kind übertragen oder bekomme irgendwann eine Einleitung. Oh Gott davon hatte ich die schaurigsten Geschichten gehört. Das Frauen die heftigsten Wehen innerhalb von nur einigen Minuten bekommen. Von 0 auf 100 sozusagen plötzlich überrollt werden von den heftigsten Schmerzen. Was dran ist kann ich nicht sagen, bei der ersten Geburt lief alles komplett ohne eine Einleitung oder PDA oder Sonstiges. Meine erste Geburt war unerwartet schnell. Daher nun auch die Sorge vor einer möglichen Sturzgeburt beim zweiten Mal.
Jede Geburt ist anders und es muss nicht bei jeder Frau gleich so krass sein mit den künstlich herbeigeführten Wehen und außerdem hat jede Frau ein anderes Schmerzempfinden. Mit diesen Gedanken setzte ich mich sehr lange auseinander, da ich mir natürlich Sorgen um mein Kind machte und es kaum erwarten konnte, dass es sich doch bitte von alleine auf den Weg machen soll. Ich wollte einfach nur, dass mir diese ganze künstliche Wehen-Geschichte oder ein Kaiserschnitt erspart blieb. Es war früh Morgens als ich die Praxis verließ. Ich holte mir beim Bäcker eine Tüte Brötchen und watschelte im Entengang durch die Straßen bis nach Hause. Ich weiß nicht, ob ihr das schon einmal beobachtet habt, aber alle Schwangeren haben diesen speziellen Watschelgang. Nun ja ich war mittlerweile eine besonders große und sehr dicke Ente.
Big Mama Duck.
Ich versuchte mich in den nächsten Stunden und Tagen möglichst viel zu bewegen, um die Wehen herbeizuführen. Ich nutzte jeden Tag die Möglichkeit nach Draußen zu gehen, wenn mein Kreislauf es zuließ. Der nächste Tag verlief soweit ruhig und nur mit gelegentlichen Ziehen im hinteren Rückenbereich, teils ein Stechen bis hin zum Steißbein. Dieses Gefühl kannte ich von der ersten Schwangerschaft gar nicht. Ich wartete immer auf mir bekannte Zeichen oder Gefühle die mir signalisierten, dass es losgehen sollte. Irgendwie wünschte ich mir, dass meine Fruchtblase platzt und sofort die Wehen einsetzen und ich meine Tochter innerhalb kurzer Zeit dann im Arm halte und endlich Gewissheit habe. Ich hatte sogar Visionen von einer schnellen Spontangeburt zu Hause.
Mein Frauenarzt hatte mir versichert, dass es der kleinen Bauchbewohnerin noch gut gehe und ich bestimmt nicht „übertrage“ auch wenn ich mich nun schon in der 40. Woche befand. Das Fruchtwasser war noch ausreichend vorhanden und die Plazenta nur leicht verkalkt, also alles tutti. Meinem Kind gefiel es scheinbar im Bauch. Ja klar Mädchen, ne? Wer kennt diesen Spruch nicht. Die müssen sich halt noch schön machen usw. Habe ich nicht nur einmal zu hören bekommen. Also ging ich am Abend wie gewohnt ins Bett und dann noch gefühlte zehnmal zur Toilette. Wie gerne wäre ich erlöst von dem störenden Dickbauch um dann endlich mein Kind in den Armen zu halten! Wegen diesem fiesen Sodbrennen und unbequemen Liegen war in den letzten Wochen eh kaum noch an Schlaf zu denken. Zudem war mein Großer immer sehr aktiv und hat mich zusätzlich total eingespannt und gefordert. Auf der einen Seite gut, denn es hielt mich in der Schwangerschaft fit. Aber es war anstrengend einen dreijährigen wilden Rabauken mit so einem stetig wachsenden Babybauch zu bändigen. Ich wollte das auch er wieder auf seine Kosten kommt und ich ungehemmt mit ihm herumtoben kann und ihn herumwirbeln kann. Auch enger Körperkontakt ohne meine große Murmel da vorne, fehlte uns beiden sehr. Mein Bauch war ehrlich so riesig wie ein Medizinball. Ungelogen. Ich hatte von Kleidergröße 36 auf 44 zugenommen, ganze 27 Kilos waren es jetzt zum Ende der Schwangerschaft, die ich zusätzlich mit mir herumtrug. Das war echt krass. Ich hatte auch Wassereinlagerungen und mein Kind war wirklich groß.
In der ersten Schwangerschaft waren es 12 Kilo, die ich zugenommen hatte. Wie durch ein Wunder habe ich kaum Schwangerschaftsstreifen davongetragen. Jetzt in meiner zweiten Schwangerschaft hatte ich echt das Gefühl, als befände ich mich kurz vorm Platzen. In dieser Nacht schlief ich nur so halb ein und träumte von Wehen. Bis sich tatsächlich gegen 00.53 etwas bewegte. Eine Wehe kam angerollt, ganz zaghaft aber deutlich. Um 1Uhr ein richtig kräftiges Ziehen im Unterleib. Dann um 1.07Uhr die nächste Wehe um 1.17 dann eine weitere und gegen 1.26Uhr und 1.36Uhr folgten weitere Wehen. Nur so fürs Protokoll, falls diese genauen Zeitabstände Euch interessieren. War das etwa ein eindeutiger Rhythmus?Ich rief bei meinen Eltern an, die seit Tagen schon bereit waren und sich sofort auf den Weg zu uns machten, um bei unserem Sohn zu bleiben. Meine Kliniktasche stand schon fertig gepackt im Flur. Auf der Toilette hatte ich dann rosa-rötlichen Ausfluss, also noch ein Indiz dafür, das die kleine Maus nicht mehr lange auf sich warten ließ. Dann sind wir ins Auto gestiegen und ich habe mich natürlich schön auf das Handtuch gesetzt und sind losgefahren in die ruhige Nacht. Wir kamen problemlos durch den Verkehr und parkten auf dem Parkplatz der Klinik. Dieses Mal kein Storchenparkplatz 😉
Es war bereits viertel vor drei in der Nacht, als wir oben im Kreißsaal ankamen. Wir hatten uns vorher telefonisch angemeldet und wurden schon erwartet. Die Hebamme brachte uns in ein freies Untersuchungszimmer und erklärte uns, dass die Kreißsaalzimmer komplett belegt sind. Es sollte die Nacht der schnellen Mädels werden, denn sage und schreibe 8 Babies sollten heute noch auf die Welt gebracht werden. Unsere Maus war Baby Nummer Sechs. Erstmal wurde ich an das CTG angeschlossen und bekam einen Zugang gelegt, über den auch direkt Blut abgenommen wurde. Die Wehen kamen sehr gleichmäßig und waren gut sichtbar auf dem Gerät. Ich atmete ganz tief ein und aus. Das bewusste Atmen wurde uns imVorbereitungskurs und in meiner Schwangerschaftsgymnastik beigebracht, so dass ich davon in diesem Moment tatsächlich profitierte. Nach einiger Zeit…ich glaube es waren 25 Minuten wurde ich von der Ärztin zum Ultraschall abgeholt. Dazu gingen wir in ein anderes Untersuchungszimmer. Ich kann mich noch gut daran erinnern, das das Gel für den Ultraschall extra warm gehalten wurde was ich als angenehm empfand. Die Ärztin war wirklich sehr nett und erklärte uns alles. Das Baby läge gut und startklar im Geburtskanal und sie schätze nochmal Gewicht und Größe.
Dann gingen wir zurück in den Untersuchungsraum und die Hebamme kontrollierte den Muttermund und es wurde wieder ein CTG gemacht. Der Muttermund war mittlerweile schon leicht offen. Die Hebamme fragte ob ich einen Einlauf haben möchte und ich stimmte zu. Als sie auf meinen Wunsch hin einen machte platze just in dem Moment die Fruchtblase. Ich könnte schwören, ich hab´s wirklich knacken hören. Und dann lief und lief es nur so. 10 Minuten sollte ich versuchen innezuhalten, um danach zur Toilette zu gehen. Ich sollte mich jetzt möglichst viel bewegen und das Baby dadurch nach unten schieben. Das Unangenehme war, das meine Hose schon durchnässt war. Trotz der riesigen Einlagen, die mich an Surfbretter erinnerten. Das sind die Dinge, die dir vorher keiner sagt. Mich dürft ihr fragen. Es ist Normalste der Welt.
Ich hatte aber keine Kraft mich im Kreissaal umzuziehen, da jede Wehe mich stocken ließ. Und ehrlich gesagt war es mir in diesen Momenten auch egal, jetzt lief ich halt noch in nassen Sachen herum. Ich habe mich beim nächsten Anrollen der Wehe mit dem Kopf an die Brust meines Mannes gelehnt und meine Atemübung gemacht. Dabei seine Hände genommen und sie ganz fest zusammen gedrückt. Immer wenn die nächste Wehe kam, bin ich stehen geblieben und habe mich auf meinen Mann gestützt. Während der Wehen floss das Fruchtwasser noch mehr und ich spürte einen Pressdrang. Die Hebammen hatten viel zu tun, mit Berichten schreiben, Geburten begleiten und den Kreißsaal putzen usw. Es war wirklich unheimlich hektisch um uns herum.
Ich hielt es mittlerweile kaum noch aus den Pressdrang zu unterdrücken und bettelte darum schnell zum Kreißsaalbett verlegt zu werden. Mein Baby wollte raus. „Mein Kind will jetzt raus“!! rief ich laut und fast verzweifelt. Die Hebamme war sichtlich gestresst und wusch schnell noch einmal über das Bett und räumte auf, während ich mit meinem Mann im Flur stand. Die nächste Wehe war echt heftig und dann hörte sie schlagartig auf und ich konnte wieder Kräfte für die nächste sammeln. Wie ich rückblickend erkennen konnte, waren das schon die Presswehen… Im Flur. Im Stehen. Mein Mann war die ganze Zeit sehr ruhig und eine gute Stütze für mich. Auf dem Kreißsaalbett stellte die Hebamme fest, dass der Muttermund sich komplett geöffnet hat und ich bei der nächsten Wehe schon mein Kind rausschieben sollte.
Das war gar nicht so leicht. Ich sollte Luft holen, dann anhalten und nach unten schieben. Am besten das Kinn auf die Brust legen beim Schieben. Irgendwann war es nur noch ein durchgängiger Schmerz und ich konnte die Wehen nicht wirklich „herausfühlen“ in denen ich drücken sollte. Ich war mit meinen Kräften nun bald schon am Ende. Die Eröffnungswehen waren einfach zu heftig und es ging von 0 auf 100. Das war wirklich viel für mich. Vergleichbar ist so eine Geburt mit einem echten Marathon von der körperlichen Leistung und Anstrengung. Der Kopf war jetzt richtig zu spüren, die Hebamme mit ihrem süßen kanadischen Akzent feuerte mich an: „Pressen Anne, pressen! Jetzt! Schieb dein Kind raus.“ Ich musste dreimal echt kräftig und angestrengt mitschieben, dann sagten die Ärztin und Hebamme ich sollte bei der nächste Wehe gar nichts tun. Dann haben sie meine Tochter mehr oder weniger herausgezogen. Das war wirklich eine Erleichterung und so wunderschön, dass sie in dem Moment gesund geboren war. Sie wurde mir direkt auf die Brust gelegt.
Es wurde Nabelschnurblut entnommen, welches ich gerne spenden wollte. Das war im Vorfeld alles geklärt und unterschrieben. Dann durfte der stolze, frischgebackene zweifach Papa die Nabelschnur durchtrennen. Die Plazenta kam zügig und ohne Schmerzen hinterher. Wieder wurde ich an den gleichen Stellen, die auch bei der ersten Geburt gerissen sind genäht. Nennt man das dann eigentlich Sollbruchstellen? Ja genau, es gibt solche Geburtsverletzungen, darüber wurde aber zumindest in unserem Vorbereitungskurs gesprochen. Bitte klärt euch auf, fragt immer alles was Euch auf dem Herzen brennt bei der Hebamme und Ärztin nach. Vielleicht einen kleinen Geburtsplan erstellen, über Dinge die ihr auf gar keinen Fall möchtet und was eine Option wäre. Es geht um DICH als Mama und ums BABY und das ist beides so wichtig. Es soll kein Geburtstrauma entstehen. Mir war beispielsweise ganz klar, dass ich einem Dammschnitt nicht zustimmen werde, sollte dieser Eingriff vorgenommen werden. Das wusste mein Mann auch und er hätte mich verteidigt. Meine Geburt- weil mein Körper und meine Regeln und das immer zum Wohle des Kindes. Auch im Krankenhaus geht eine selbstbestimmte Geburt. Wir hatten auch Glück und tolle geschulte Geburtshelfer.
Und jetzt noch etwas unter uns Mamas. Ich bin immer für ehrlich und direkt. Das Nähen empfand ich bei beiden Geburten als das Unangenehmste. Es war einfach komisch da zu liegen mit Baby auf dem Bauch und währenddessen hat das Nähen mich so abgelenkt und tat echt weh. Erst als die Ärztin fertig war, konnte ich mein Mutterglück so richtig genießen. Ganz in Ruhe mit meinem Mann. Wir durften mit unserer kleine Frida noch 2 Stunden als junge Familie im Kreißsaal bleiben. Ein wundervolles Geschenk und eine Zeit die man niemals vergisst. Wir sind als Eltern gesegnet und megaglücklich und so stolz darüber, dass alles so reibungslos geklappt hat und wir so ein süßes Baby bekommen haben.
Wer von Euch lieben Mamas möchte, darf seinen Geburtsbericht hier in den Kommentaren gerne verlinken. Wenn wir über die Geburten offen sprechen kann das auch sehr heilsam sein oder vorbeugen und Unsicherheiten ausräumen. Traut Euch! Es ist das Wunder des Lebens und wir Frauen können so stolz darauf sein, das unser Körper so etwas leistet. Ob spontan oder doch per Kaiserschnitt jede Mutter ist wundervoll und jede Geburt besonders und einzigartig.
2 Comments
Total schöner Bericht. Sehr lebendig erzählt und mega persönlich, ohne wertend zu werden. Danke, Anne, für diesen anrührenden Geburtsbericht. Hilft bestimmt einigen Mamas, eine positive, einfache Geburt zu visualisieren und vielleicht auch zu haben. 🙂
Hallo Kathrin!
Dankeschön für deinen Kommentar. Ich hoffe ich kann anderen Eltern auch Mut machen für sich einzustehen, denn was gibt es Wichtigeres als einen gesunden Start ins Leben ? Liebe Grüße Anne