Ihr Lieben, lange habe ich hin und her überlegt, ob dieses doch sehr intime und private Erlebnis hierher gehört und ich muss sagen, dass ich selbst auch gerne authentische Berichte lesen möchte und habe mich dazu entschieden mit diesem Artikel öffentlich zu gehen. Jede Geburt ist anders und so wie jede Frau und die Art und Weise zu entbinden und ich hoffe, dass ich Euch wenn ihr selbst vielleicht gerade in der Situation vor der Geburt steht Mut machen kann.
Denn heute geht es um meine persönliche Erfahrung und gerne möchte ich mit Euch die Geburtsgeschichte meines Sohnes teilen. Verwendet habe ich alle Notizen, die ich im Wochenbett und sogar noch im Krankenhaus zusammengetragen habe. Ich schreibe unverblümt, offen und direkt. Als ich schwanger wurde, wollte ich alles über die Schwangerschaft und die Geburt wissen um selbst bestmöglichst vorbereitet zu sein. Leider wurden mir auch viele unschöne Erlebnisse mitgeteilt, die mir sogar Ängste bereiteten. Trotzdem versuchte ich mich davon nicht beeinflussen zu lassen und ließ einfach alles auf mich zukommen. Ich hatte jetzt eh keine andere Wahl und irgendwie sollte doch am Ende alles gut werden.
Positiv gestimmt konnten wir also in das Abenteuer Baby starten.
Wir schreiben also den 9 Mai des Jahres 2012. Der Tag, an dem ich zum ersten Mal Mama werden sollte. Gleich morgens nach dem alltäglichen Pinkelritual stellte ich fest, dass dieser sogenannte Schleimpfropf sich gelöst haben musste. Ich war plötzlich ganz aufgeregt. Sollte das jetzt das erste sichtbare und ernst zu nehmende Zeichen sein, dafür dass es bald losgehen würde? Wochenlang habe ich mich mit dem Thema beschäftigt und mir unzählige You-Tube Videos angesehen. Besonders die Wassergeburt hatte es mir angetan, davon war ich total fasziniert. Ich fand es so interessant, dass es tatsächlich Frauen gibt die ihr Baby in einer Wanne oder einem Planschbecken gebären. Es sah auch so unglaublich einfach aus und die Frauen wirkten in den meisten Videos sehr erleichtert und glücklich über diese Art zu gebären. Bei mir sollte es aber doch keine Badewannensession im Kreißsaal werden. Aber…dazu später.
Nun inspizierte ich dieses leicht rosige ‚Etwas’ da in der Kloschüssel und wusste genau, dass es nicht mehr lange dauern würde. Ich hatte eine ziemlich praktische Babycenter- App auf meinem Handy und oft im Forum nachgelesen und mich mit anderen werdenden Müttern und Freundinnen und meiner Schwester ausgetauscht. Ich habe zu der Zeit alle möglichen Fragen gestellt, die mir so durch den Kopf gingen. “Michi!” rief ich meinen Mann. “Schau dir das mal an!!Das ist doch der Schleimpfropf, weißt du dieses Ding das sich ein paar Tage vor der Geburt löst… Es dauert nicht mehr lang! Er kommt bald!! Er kommt bald!!” Ich war so meeeega aufgeregt und konnte es wirklich kaum erwarten, dass es endlich losging. Trotzdem hieß es noch abwarten. Warten? Ja worauf denn eigentlich jetzt? Es gab ja viele Möglichkeiten. Darauf etwa das Wehen einsetzen? Das man Durchfall bekommt? Erbricht? Rückenschmerzen bekommt? Periodenschmerz? Hatte ich ja alles schon gehört. Oder darauf das plötzlich die Fruchtblase platzt und ein Bach von Fruchtwasser die Beine herunter rinnt? Ich ging erstmal in die Küche und machte mir einen Himbeerblätter-Tee. Den trank ich seit ein paar Tagen wirklich Kannenweise.
Mein Mann fuhr wie jeden Tag zur Arbeit. Sein Arbeitsplatz lag zu dieser Zeit ca. 45km entfernt von hier. Er riskierte es zu fahren, denn er würde es in 40 Minuten schaffen wieder hier bei mir zu sein, sollte es losgehen. Nun saß ich da also chillig rund mit meiner dicken Kugel auf dem Sofa und trank meinen Himbeerblättertee. Davon trank ich in den letzten Tagen immer, in der Hoffnung es würde womöglich die Geburt erleichtern. Dazu testet man ja alles Mögliche was einem so erzählt wird. Von Dammmassagen über Sitzbäder, Gymnastikübungen und Spaziergängen. Merkte ich doch tatsächlich ein leichtes Ziehen im Unterleib? Ganz zaghaft etwa so als würde eine Periode einsetzen. Ja das war jetzt deutlich zu spüren und machte sich in meinem Unterlieb breit. Ein dumpfes drückendes Gefühl. Das Ziehen wurde nun regelmäßiger, war aber gut auszuhalten und fühlte sich für mich noch nicht nach den “echten” Geburtswehen an. Ich hatte vermutlich noch Zeit. Also legte ich mich mit meinem Roman ins Bett und versuchte mich auf die Geschichte zu konzentrieren. Das anfängliche Ziehen im Unterlieb wurde zu einem Stechen und kam bald alle 15 Minuten. Das fühlte sich schon eher nach Wehen an. Ich schaffte es noch einen Salat und eine Schnitte Brot zu esse. Ich dachte es kann nicht schaden, wenn ich meine Reserven auffülle und Kraft tanke. Gegen 14 Uhr telefonierte ich noch mit meinen Eltern und sagte es dauert bestimmt noch. Davon ging ich einfach aus, schließlich war es mein erstes Kind. Aber dann wurden die Wehen schon heftiger und kamen in kürzeren Abständen. Ich verbrachte viel Zeit auf dem Klo. Kurz vor 15 Uhr rief ich meinen Mann an, weil ich es nicht mehr aushielt. Also machte er sich auf den Weg zu mir.
Ich saß auf dem Klo. Da hatte ich es mir schon richtig heimisch und gemütlich gemacht mittlerweile, mit einem Eimer und der Wasserflasche vor mir. Mein Mann holte das Telefon und ich sagte ER soll doch bitte für mich im Kreißsaal anrufen. Ich fühlte mich einfach nur hundeelend und wollte gar nichts. Augenrollend nahm mein Mann das Telefon und fragte mich noch, warum ausgerechnet er denn dort anrufen solle. Die Hebamme am anderen Ende entgegnete meinem Mann nach der kurzen Beschreibung meiner Umstände: “Kann Ihre Frau mir das auch selbst sagen? Geben Sie mir bitte mal Ihre Frau.” Ich habe nur kurz mit Ihr gesprochen oder eher gejapst, da sagte die Hebamme: “Tasche packen und sofort herkommen bitte.”
Wir waren zwanzig Minuten später auf dem Storchenparkplatz der Klinik. Da dürfen werdende Eltern 1 Stunde kostenlos stehen und er befindet sich netterweise in Eingangsnähe. Es war mittlerweile 16:30Uhr. Also schnell die Stufen hoch zum Kreißsaal hochgewatschelt. Zum Glück kannten wir uns dank der Kreissaalbesichtigung mit dem Geburtsvorbereitungskurs dort schon aus. Wir stellten uns vor und bekamen direkt ein Kreißsaalzimmer. Dort wurde ich erstmal ans CTG angeschlossen. Die Herztöne des Kleinen waren super und die Wehen auch sichtbar angezeigt. Mein Muttermund war aber erst bei 1cm offen. Das enttäuschte mich, denn es hatte sich nach der langen Zeit wirklich nach mehr angefühlt. Nun lag ich da auf dem Kreißsaalbett und wartete. Die Hebamme schickte uns auf den Flur. Ich sollte mich bewegen und die Wehen veratmen.
Weit kamen wir gar nicht, denn ich wollte lieber liegen oder mich vergraben oder keine Ahnung was. Irgendwie war keine Position die Richtige für mich. Alles was wir im Geburtsvorbereitungskurs gelernt hatten kam hoch und ich versuchte bei jeder Wehe gleichmäßig zu atmen. Es tat zwar immer sehr weh, aber es lenkte mich ab und ließ mich zumindest nicht in Panik fallen. Ich dachte bei mir: Du schaffst das Anne! Du schaffst das schon! Jede Wehe bringt dich näher zu deinem Kind! Als eine Art Mantra wiederholte ich diese Sätze im Kopf, um mir Mut zu machen und mit den Schmerzen fertig zu werden. Eine Ärztin holte uns nach einiger Zeit ab und wir machten einen Ultraschall um nochmal die Lage des Kindes und das Gewicht, Größe etc. zu schätzen. Nach der Untersuchung wurden wir zurück in den Kreißsaal geschickt. Ich wurde wieder ans CTG geschlossen. Da überkam mich plötzlich ein Brechreiz. Zum Glück habe ich mich mit Ankündigung spontan in die Nierenschale übergeben.
Mein Mann sagte irgendwann: “Ich geh mal runter zum Parkplatz und stelle das Auto um. OK?” War mir aktuell wirklich gleichgültig, denn ich lag hier und es dauerte anscheinend noch. Also noch weiter warten. Die Wehen würde ich auch kurz ohne Ihn überstehen. “Gut bis gleich.” Der Wehenschreiber schlug kaum aus, aber ich spürte ein kräftiges regelmäßiges Ziehen die ganze Zeit und atmete gleichmäßig ein und wieder aus. Die Hebamme saß im Zimmer gegenüber und schrieb etwas am PC. Mit einem Mal durchfuhr mich ein so schrecklicher, wirklich fieser Schmerz, so dass ich mich zusammenkrümmen musste und kurz aufschrie. Sofort eilte die Hebamme herbei und kontrollierte die Herztöne und sah dann auch diese heftige Wehe auf dem Wehenschreiber. So malte in den folgenden Minuten der Wehenschreiber ein nettes Bild von den Dolomiten und am Ende war der Muttermund fast komplett offen. Uhrzeit: 17:55 Uhr. Die Hebamme rief die Ärztin an, denn es sollte jetzt losgehen. NEIN! MOMENT! HALT! STOPP! JETZT??? ERNSTHAFT???WO IST MEIN MANN?
Zack! da wurden mir die Beine mit solchen Schalen in eine stabile Position gebracht. Ich jammerte nach einer PDA, denn die Schmerzen waren jetzt wirklich unerträglich. Aber dafür war keine Zeit! Es sollte wirklich JETZT losgehen. Die Hebamme: “Das Baby kommt gleich, bis dahin wirkt die PDA nicht.” Mein Mann war auch wieder da und überrascht darüber, mich in dieser Gebärposition vorzufinden. Er hatte auch nicht damit gerechnet, dass es jetzt so schnell gehen sollte. Die Hebamme machte eine sogenannte Amniotomie (Fruchtblasensprengung) und danach ging´s so richtig los. Ich hatte sofort den Drang mitpressen zu müssen. Das Köpfchen war wochenlang schon tief und fest im Becken, der kleine Mann hatte gute Vorarbeit geleistet und seine Reise zu uns war bald zu Ende. Ich hatte erst keinen Schimmer wie und wohin ich überhaupt pressen soll. Mich hat diese ganze Situation ziemlich überfordert. Und auch die richtige Atemtechnik zu finden, fiel mir schwer. Als dann die letzten richtigen Wehen der Austreibungsphase (das Wort fand ich immer schon merkwürdig, denn es erinnert mich an die “Teufelsaustreibung”) kamen dachte ich nur: Oh mein Gott!! Ich muss kacken!! Und das sagte ich dann auch noch LAUT: “ICH GLAUBE ICH MUSS KACKEN”! War mir gerade ziemlich egal. Die Hebamme und Ärztin sagten schmunzelt ich soll mich ganz frei und ungeniert fühlen und allem freien Lauf lassen. Denn dieses Gefühl ist das Richtige und ich weiß wohin ich drücken soll.
Also ihr lieben werdenden Mamas da draußen, lasst Euch gesagt sein, es ist bei der Geburt ähnlich wie im Scheißhaus. Verrichtet im Kreißsaal einfach gefühlt das Geschäft eures Lebens! Das Gefühl, dieser unglaubliche Druck da unten, das war der Kopf meines Babys. Alles steht unter Spannung und fühlt sich sehr komisch und fremd an. “Ich kann schon das Köpfchen sehen!! Ich kann es sehen, Anne.” sagte die Hebamme. “Möchtest du mal fühlen?” Ich wurde wirklich gefragt ob ich fühlen wollte, aber das war mir irgendwie nicht geheuer. Lieber wäre mir jetzt wenn mein Mann schaut. Das tat er dann auch und war superhappy, denn er sagte unser Kind hat eine lange dunkle Haarpracht.
Die letzten Presswehen habe ich laut Hebamme super gemeistert und mit einem Schwupps war dann unser Baby da. Endlich!!Unser Sohn war wirklich da!!!Das war das unglaublichste was wir bis dato erlebt hatten. Einfach zauberhaft. Unsere kleine Welt lag in diesem Moment wie in Watte gepackt. In diesem Moment blieb die Zeit stehen und es gab nur uns drei auf diesem Planeten. Als kleines zerknautschtes Wesen lag dieses noch so unbekannte Wesen da zwischen meinen Beinen noch an dieser blauen geringelten, fremdwirkenden Nabelschnur mit mir verbunden. Ganz sauber und wunderschön sah er aus. Schrumpelig vom langen Baden im Fruchtwasser. Einfach wunderschön. Mein Baby. Unser Baby. Unser erstes Kind. Voller Erfurcht, Respekt und Liebe waren diese intimsten Minuten.
Mein Mann durfte die Nabelschnur zertrennen. Er war einfach nur sprachlos und immer noch so überwältigt von dieser schnellen und unkomplizierten Geburt. Dann wurde der kleine Mann auf meine Brust gelegt. Das war wirklich das allerschönste Gefühl der Welt.
Das war der perfekte Moment.
4 Comments
Liebe Anne, danke dass du diesen Beitrag mit uns teilst. Ich finde es so wichtig, dass wir über unsere Geburten reden. Das sind so wahnsinnig einschneidende und mit etwas Glück auch bestärkende Erlebnisse. Manchmal kann ich es trotz aller Spuren und wider jedes Wissens nicht glauben, dass meine beiden Zwerge wirklich mal in meinem Bauch gewöhnt haben. 🙂 Ganz liebe Grüße, Sonja
Liebe Sonja, ja das Wunder das Lebens kann ich manchmal auch nicht wirklich begreifen 🙂 Wundervoll!! Und ich wünsche mir viel mehr mutige Mamas, die auch andere daran teilhaben lassen und sich so gegenseitig bestärken können. Unsere Generation dürfte mittlerweile soweit sein, das bestimmte Themen völlig normal und wertfrei auch online geteilt werden dürfen. In der medialen Welt, meine ich. Wir sind doch auch viel offener und freier “groß” geworden. Auf jeden Fall freue ich mich, wenn ich authentische gute Berichte zu lesen bekomme. So wie auch auf deiner Seite 🙂 Dankeschön
Sehr witzig. Unsere Zwei sollten sich kennen lernen. Meine Tochter ist am 9.5. 2013 ( Vatertag) 51 cm und 3.580 g geboren! 🙂
Meine Geburt war ähnlich schnell und wunderbar und wir waren total geflasht das sie nach nicht mal 4h wirklich da war.
Liebe Grüße
Inga
Hallo Inga!!
Das ist wirklich witzig! Genau den gleichen Geburtstag haben die Beiden. Schön das es bei euch auch so unkompliziert gewesen ist. Im Nachhinein weiß ich das sehr zu schätzen, da es nicht immer der Normalfall ist.
Liebe Grüße
Anne